Die Unterschrift auf dem Frachtbrief oder der Ladeliste als Haftungsfalle

LKW-Fahrer unterschreiben oft den CMR-Frachtbrief oder eine Ladeliste, ohne die Ladung zu prüfen. Dies kann zur Haftung des Frachtführers führen, wenn ein Teil der Ladung fehlt. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Frachtführer für den Schaden gemäß Art. 29 CMR in voller Höhe haftet.

In der täglichen Praxis kommt es immer wieder vor, dass LKW-Fahrer bei Übernahme der Ladung den CMR-Frachtbrief oder eine Ladeliste „blind“ unterschreiben, ohne zu prüfen, ob die aufgelisteten Güter tatsächlich und vollständig auf den LKW verladen worden sind. Hierfür gibt es vielfältige Gründe wie zum Beispiel mangelnde Zusammenarbeit des Verladepersonals mit dem Fahrer, fehlende Sprachkenntnisse oder Bequemlichkeit des Fahrers. Stellt sich bei der Ablieferung des Gutes heraus, dass ein Teil der im Frachtbrief oder Ladeliste aufgeführten Ladung fehlt, führt dies regelmäßig zur Haftung des Frachtführers.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof hatte im Jahr 2014 über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Der Frachtführer war mit dem Transport einer Vielzahl von Packstücken, darunter ein Paket Carboplatin mit einem Warenwert von runter 78.000 EUR, beauftragt. Der Fahrer hielt sich während der Beladung im Führerhaus des LKW auf. Nach Abschluss des Beladevorgangs unterzeichnete der Fahrer unterzeichnete die ihm vorgelegte Ladeliste, in der auch ein Paket mit Carboplatin aufgeführt war, unter dem Vermerk „Obige Sendung erhalten“. Der Fahrer verschloss den bis dahin offen stehenden LKW und trat die Fahrt an. Bei Ankunft des LKW an der Entladestelle fehlte das Paket mit Carboplatin.

Nach Art. 17 Abs. 1 CMR haftet der Frachtführer für den Verlust des Gutes, wenn der Verlust zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintritt.  Der Fahrer hat das Transportgut bereits in dem Moment übernommen, in dem er sich mit den Lagerarbeitern in das Büro begeben hat. Zu diesem Zeitpunkt war der Fahrer in der Lage, das Transportgut durch Verschließen des Laderaums vor Schäden zu bewahren.

Der Frachtführer kann sich nicht mit Erfolg auf die Beweisvermutung nach Art. 9 Abs. 2 CMR berufen. Nach dieser Bestimmung wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass die Anzahl der Frachtstücke und ihre Zeichen und Nummern mit den Angaben im Frachtbrief übereinstimmen, wenn der Frachtbrief keinen begründeten Vorbehalt des Frachtführers enthält. Diese Beweisvermutung greift aber nur ein, wenn ein den Vorschriften der Art. 5 und 6 CMR entsprechender Frachtbrief vorliegt. Wurde – wie hier – weder ein Ladeschein noch ein Frachtbrief ausgestellt, kann der Beweis für die Anzahl der übergebenen Frachtstücke grundsätzlich auch durch eine von dem Frachtführer oder seinem Fahrer unterzeichnete Empfangsbestätigung (Übernahmequittung) geführt werden.

Unterzeichnet der Fahrer die Übernahmequittung, ohne die angegebene Stückzahl einer möglichen Kontrolle zu unterziehen, verhält er sich treuwidrig, wenn er sich später darauf beruft, die Übernahmequittung sei „blind“ erteilt worden.  Auch wenn die Übernahmequittung ohne Kontrolle unterzeichnet worden ist, begründet sie die widerlegliche Vermutung für die Übernahme des Pakets mit Carboplatin.

Der Bundesgerichtshof hat ferner entschieden, dass der Frachtführer für den Schaden gemäß Art. 29 CMR in voller Höhe haftet. Der Vorwurf der Leichtfertigkeit ist gerechtfertigt, weil, es sich der Kontrolle der verladenen Waren und der Verschließung des LKW-Trailers nach Abschluss der Beladung durch den Fahrer um elementare Vorkehrungen gegen den Verlust von Ware handelt.

Konsequenz für die Praxis

Zur Vermeidung einer Haftung nach Art. 29 CMR ist es zwingend erforderlich, dass die Zahl (und der Zustand) der geladenen Güter bei der Beladung durch den Fahrer kontrolliert wird. Wird die Kontrolle verweigert, muss der Fahrer dies im Frachtbrief, in der Ladeliste oder in der Übernahmequittung vermerken. Zur Vermeidung von Haftungsrisiken, ist der Frachtführer verpflichtet, den Fahrer (oder Subunternehmer) zu entsprechenden Kontrollmaßnahmen anzuhalten.

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